International Best-Practice
Was Fußballklubs fürs Klima tun
Ein Stadion, das Strom produziert und Bäume gießt? Wenn es auf internationaler Ebene um nachhaltigen Stadionbau geht, führt kein Weg an Atlanta vorbei. In der Metropole im US-Bundesstaat Georgia steht mit dem 2017 eröffneten Mercedes Benz Stadium nicht nur eine der modernsten, sondern auch die offiziell nachhaltigste Sportarena der Welt. Es ist das erste Stadion, das durch das Zertifizierungsprogramm LEED für nachhaltiges Bauen ausgezeichnet wurde. Es verfügt über eine energieeffiziente LED-Beleuchtung und eine Solaranlage, die genügend Strom für 13 Fußballspiele produziert. Durch das ausgeklügelte Wassermanagementsystem kann so viel Regenwasser gespeichert werden, dass es sogar dem Überschwemmungsschutz in der Umgebung dient. Zudem können mit dem gesammelten Wasser die Bäume in der Nachbarschaft bewässert werden. Darüber hinaus gibt es Leihfahrräder am Stadion sowie mehrere Ladestationen für E-Autos. „Wir wollten einen Veranstaltungsort bauen, der nicht nur die Erwartungen übertrifft, sondern auch die Grenzen des Machbaren in Bezug auf Stadiondesign, Fanerlebnis und Nachhaltigkeit verschiebt“, sagt Eigentümer Arthur Blank über das Stadion.
Klimaneutral in acht Jahren
Der Bau der Arena kostete rund 1,4 Milliarden US-Dollar. Dass aktiver Natur- und Klimaschutz nicht immer so teuer sein muss, zeigt ein Beispiel aus dem Westen Englands. Dort, im 7.000-Einwohner-Städtchen Nailsworth, sind die Forest Green Rovers zu Hause. Und der Name scheint Programm. Mag der Verein auch gerade erst aus der dritthöchsten englischen Liga abgestiegen sein, in Sachen Nachhaltigkeit ist er längst erstklassig. 2018 zeichneten die Vereinten Nationen die Rovers als ersten CO2-neutralen Fußballklub aus, auch die UEFA soll sich schon Tipps zur umweltfreundlichen Rasenpflege in Nailsworth geholt haben. Das liegt vor allem an einer Person: Dale Vince, Vorstandschef des Klubs und Gründer eines Unternehmens für alternative Energien. 2010 bat ihn der damalige Fünftligist um Hilfe – und Vince stieg ein.
Er krempelte den Klub von Grund auf um, führte vegane Kost für Spieler wie Fans ein, sattelte auf Ökostrom um, ließ eine Solaranlage am Dach des Stadions errichten und verbannte jegliche Chemikalien und Pestizide vom Rasen. Auch sportlich ging es langsam und stetig voran. Innerhalb von zwölf Jahren stieg der Verein von der fünften bis in die dritte Liga auf. Vince hat mit den Forest Green Rovers hohe Ziele: Er will in die zweite Liga. Daran ändert auch der diesjährige Abstieg nichts. Erfolgreich ist der Klub ohnehin schon. „Innerhalb von neun Jahren ist aus einem unbekannten Klub mit seltsamen Ideen einer geworden, der en vogue ist“, sagte Vince 2019 dem Fußballmagazin ballesterer. Die Entwicklungen in Nailsworth sieht er nicht als Ausnahme an. „Nachhaltigkeit sollte eine Voraussetzung für Profiklubs sein, quasi eine Umweltpflicht für die Vereine.“
Vorbildliche Nachbarn
Wenn es um Vorbilder geht, an denen sich Österreichs Bundesliga-Klubs orientieren, geben die meisten an, sich international umzuschauen. Die meisten Anregungen gibt es in Deutschland und England. So erhält der Cashpoint SCR Altach durch seine Mitgliedschaft im Netzwerk „Football is More“ Einblicke in die CSR-Arbeit anderer Mitglieder wie Chelsea, Liverpool, Stuttgart und Werder Bremen. Der FK Austria Wien orientiert sich im Bereich Klimaschutz an deutschen Vorreitern wie Wolfsburg, Köln und Mainz, die in Untersuchungen der letzten Jahre mit am besten abschnitten.
Eine Umfrage der gemeinnützigen Organisation myclimate unter den deutschen Erstligaklubs der Saison 2019/20 ergab hinsichtlich ihrer Klimaschutzmaßnahmen, dass bereits 60 Prozent ihren CO2-Fußabdruck ermitteln. Die meisten decken zudem den überwiegenden Teil ihres Strombedarfs bereits mit erneuerbaren Energien. Am besten schloss der FSV Mainz 05 ab. 2020/21 nahm die Organisation „Sport Positive“ eine ähnliche Umfrage vor, der erste Platz ging hier an den VfL Wolfsburg.
Auch der SK Sturm Graz lässt sich vor allem von englischen und deutschen Klubs inspirieren. „Dank zweier Netzwerktreffen der Fanverbände FSE und SD Europe haben wir uns vor allem im Bereich der Inklusion und Barrierefreiheit einiges abschauen können“, sagt Sturm-Pressesprecher Stefan Haller. In Sachen Mobilität und Barrierefreiheit gelten zudem Borussia Dortmund und der Hamburger SV als Vorbilder.
Was die eigene Klimaneutralität angeht, haben die meisten Bundesliga-Klubs noch kein festes Jahr anvisiert. Andere wiederum haben ambitionierte Ziele. Während die SV Guntamatic Ried bis 2035 klimaneutral sein will, duellieren sich die beiden Vorarlberger Vereine SCR Cashpoint Altach und Austria Lustenau um den Titel des ersten klimaneutralen Klubs Österreichs. Die Lustenauer haben das Jahr 2027 ins Auge gefasst, die Altacher wollen sogar schon zwei Jahre früher so weit sein, dass die Null steht.
Fotos: Green Rovers: Entwurf des geplanten Stadions: Zaha Hadid Architects, CC // Mainz: GEPA Picutres