Stadion
Auf der Suche nach dem Stadion der Zukunft
Fast anderthalb Jahre Bauzeit, knapp 20.000 Plätze Fassungsvermögen, rund 65 Millionen Euro Kosten: Seit dem Frühjahr 2023 ist Österreich um ein modernes Fußballstadion reicher – die Raiffeisen Arena in Linz. Die neue Heimat des LASK ersetzte das alte Stadion mit Laufbahn auf der Gugl. Im Vorfeld des Neubaus habe sich der LASK umfassend mit dem Thema Nachhaltigkeit befasst und es bereits beim Bau berücksichtigt, sagt Pressesprecher Raphael Habringer. So wurden in der Arena wasserlose Urinale installiert, zudem wurden Fertigbetonteile aus dem Bauschutt der Gugl verwendet. Durch den Einsatz von Recyclingbeton konnte ressourcenschonend gebaut und ein Hauch des alten Stadions ins neue integriert werden. Auch in puncto Mobilität setze der LASK mit dem Einzug neue Maßstäbe, sagt Habringer: „Wir wollen möglichst viele Fans mit Incentives zur klimafreundlichen Anreise mit den öffentlichen Verkehrsmitteln bewegen.“
Stadien der Zukunft – Zukunft der Stadien
Ein Ansatz, den auch Lukas Wedl für zentral hält. Wedl, 27 Jahre alter Tormann des FK Austria Wien, kennt Österreichs Stadien nicht nur aus der Spielerperspektive. Als Student des Immobilienmanagements hat er sich intensiv damit beschäftigt, wie ein nachhaltiges Stadion aussehen und gestaltet sein muss. Entstanden ist daraus seine Masterarbeit mit dem Titel: „Handlungsempfehlungen für das Stadion der Zukunft“. „Es ist ein spannendes und relevantes Thema“, sagt er. „Aber auch sehr komplex.“ Ein Grundproblem vieler Stadien sieht Wedl in der fehlenden Multifunktionalität, da sie exklusiv dem Fußball dienen und entsprechend selten intensiv genutzt werden. Diese Exklusivität eines solch großen Bauwerks sei eigentlich nicht mehr zeitgemäß, denn bei Stadien handle es sich um Spezialimmobilien. „Ikonische Bauwerke“ – mit besonderen Funktionen und Anforderungen.
Um herauszufinden, was ein modernes, nachhaltiges Stadion ausmacht, stellte Wedl einen Kriterienkatalog zusammen und untersuchte damit ausgewählte Stadien in Österreich und Deutschland. Aufgrund von etablierten Zertifizierungssystemen für nachhaltiges Bauen aus der Wirtschaft sowie Leitfäden von UEFA, FIFA und der deutschen und österreichischen Bundesliga entwickelte er den Katalog. Dieser ist in drei Dimensionen unterteilt, der Großteil entfällt dabei auf Kriterien der Ökologie. Dabei geht es etwa darum, welche CO₂-Bilanz das Stadion hat, welche Energieträger eingesetzt wurden und welche Mobilitätskonzepte zur Anwendung kommen. „Zwei Drittel der CO₂-Emissionen entfallen auf die An- und Abreise der Zuschauer“, sagt Wedl. Hinzu kommen ökonomische Dimensionen wie die Stadionauslastung und Zweitnutzungen sowie soziale Aspekte wie die Barrierefreiheit und Nutzerzufriedenheit, die jeweils mit 15 Prozent in die Bewertung eingingen. Um von den betroffenen Klubs die benötigten Daten zu bekommen, sagte Wedl ihnen zu, nur die jeweils individuellen Ergebnisse an die einzelnen Teilnehmer herauszugeben. Auch wenn er deshalb konkrete Ergebnisse nicht nennen darf, gibt er ein Fazit seiner Forschung ab: „Das Thema gewinnt immer mehr an Bedeutung. Zentral ist für die Vereine aber vor allem noch die Frage der Energiekosten“, sagt er. „Der ganzheitliche Ansatz hat sich noch nicht so durchgesetzt, aber die Vereine sind auf jeden Fall offen für das Thema.“
Vorreiter aus Favoriten
Auf nationaler Ebene nimmt Wedls Stammverein eine gewisse Pionierrolle in Sachen nachhaltiger Fußballklub ein. Bereits 2015 veröffentlichte die Wiener Austria einen Nachhaltigkeitsbericht, 2020 tauchten die wesentlichen Themen zu Nachhaltigkeit, Corporate Social Responsibility (CSR) und Klimaschutz erstmals im Geschäftsbericht auf. Konkrete Maßnahmen ergriff der Klub im Zuge des Umbaus der Generali Arena. Sie galt bei ihrer Eröffnung 2018 als eines der nachhaltigsten Stadien Europas, da hier bereits bei der Planung besonders auf Energieeffizienz geachtet wurde. Am Dach gibt es eine Photovoltaikanlage, auf der Nordtribüne wasserlose Urinale. Die Geschäftsstelle besitzt eine LED-Beleuchtung und in den Katakomben wurden Bewegungsmelder eingebaut, damit das Licht nur dann angeht, wenn jemand ein- oder ausgeht.
Als großer Fußballklub, der – wie es in dem Nachhaltigkeitsbericht heißt – „in nicht unwesentlichem Ausmaß“ natürliche Ressourcen nutze und Treibhausgasemissionen verursache, sehe sich die Austria in der Pflicht, mit gutem Beispiel voranzugehen. So beziehen die Wiener ihren Strom komplett aus erneuerbaren Energien und erzeugen einen Teil davon sogar selbst. Die Solarzellen auf dem Dach der Generali Arena steuern rund 14 Prozent des dort benötigten Stroms bei, bei der Nachwuchsakademie sind es sogar mehr als 22 Prozent. Den Energieverbrauch kann der Klub über das Steuerungssystem „Smart Stadium“ kontrollieren und je nach Bedarf regeln. „Im Rahmen des neuen Nachhaltigkeitsberichts wurden unter anderem die Strom- und Wassernutzung sowie das Abfall-Management kritisch evaluiert und die gesamten Treibhausgasemissionen des Fußballklubs ermittelt“, heißt es auf der Website des Vereins.
Pflicht oder Überzeugung?
Es gebe im Grunde zwei Sichtweisen, warum Vereine sich für Nachhaltigkeit einsetzen, erklärt Wedl. „Entweder weil man es muss, weil es etwa die Lizenzauflagen so verlangen. Oder es sind intrinsische Gründe, da es zu den Werten des Vereins gehört.“ Dies könne im Endeffekt sogar zu mehr Popularität führen und wieder Sponsoren anlocken, die sich ebenfalls für Nachhaltigkeit einsetzen, sagt der Tormann.
Die Fußballklubs müssen dabei oft Interessenskonflikte abwägen. „Wenn du international spielst, kannst du dem Gegner kaum verklickern, dass der Rasen nicht im optimalen Zustand ist, weil du organischen Dünger statt künstlichem verwendest“, sagt Wedl. „Die Stadien müssen in erster Linie rentabel sein, Nachhaltigkeit ist oftmals noch zweitrangig.“ Daher sei ein Wandel im Denken notwendig, denn wirklich nachhaltig sei ein Stadionkonzept nur mit einem ganzheitlichen Ansatz, der alle Aspekte berücksichtigt.
Foto: Redtenbacher, FK Austria Wien